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title: EuGH entscheidet über Zukunft der biometrischen Erfassung für Reisedokumente
date: 2013-03-12 00:43:00
updated: 2013-03-12 01:09:30
author: remission
tags: update, pressemitteilung
Am Mittwoch führt der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in Luxemburg eine Anhörung über die Rechtmäßigkeit der Erfassung von biometrischen Fingerabdrücken für Reisepässe durch.
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Der Kläger rügt, daß die zwangsweise biometrische Erfassung ein Verstoß
gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und die Europäische
Charta der Grundrechte in Fragen des Datenschutzes und der Privatsphäre,
aber auch bei Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung ist. Weiterhin
steht in Frage, inwieweit die biometrischen Merkmale überhaupt geeignet
sind, eine betrügerische Verwendung von Pässen zu verhindern.
Der Chaos Computer Club (CCC) hatte bereits 2004 erfolgreich
demonstriert, daß sich Fingerabdrücke fremder Menschen problemlos von
Alltagsgegenständen abnehmen und zu verwendbaren Attrappen formen
lassen, die die marktüblichen Fingerabdruck-Sensoren überlisten können.
\[0\] Dem fraglichen Nutzen steht das erhebliche Risiko des
unkontrollierbaren Abflusses der biometrischen Daten durch
internationale Kooperation der Polizei- und Geheimdienstbehörden und
technische Sicherheitslücken gegenüber.
Das Verfahren vor dem EuGH entscheidet über die Zukunft der
biometrischen Erfassung für über vierhundert Millionen Europäer und gilt
als wesentliche Richtungsentscheidung für die europäische
Sicherheitsgesetzgebung und die Frage, welche grund- und
menschenrechtlichen Maßstäbe angelegt werden.
"Es geht im Kern darum, ob sinnlose Profitmaximierungsprojekte von
Unternehmen der Biometrie- und RFID-Industrie den Vorrang haben sollen
vor der Grundrechtecharta", sagte Frank Rieger, Sprecher des CCC. "Der
Nutzen der Biometrie in Reisedokumenten ist nach wie vor vollkommen
unbelegt."
Jeder kann ohne besonderes Fachwissen den die biometrischen Daten
enthaltenden Chip in seinem Paß deaktivieren und damit dauerhaft das
Auslesen der Daten verhindern. Der Paß bleibt weiterhin gültig ist, da
eine technische Fehlfunktion des Chips nicht auszuschließen ist. Damit
ist die Begründung der Erfassung und Speicherung mit dem Argument der
Sicherheit völlig absurd.
Der CCC kämpft seit Jahren gegen die Abnahme und Speicherung der
Millionen Fingerabdrücke. Er ist durch seine Sprecherin Constanze Kurz
als technische Sachverständige vertreten.
**Links**:
- \[0\] Die Zwei-Minuten-Anleitung zum Fingerabdruck-Fälschen als
[Video](http://chaosradio.ccc.de/ctv001.html)
- \[1\] [Rechtssache C-291/12 am EuGH](http://grin.to/4MbiI)
- \[2\] [Meine Finger gehören
mir](http://media.ccc.de/browse/congress/2007/24c3-2346-de-meine_finger_gehoeren_mir.html)
- \[3\] Materialsammlung Biometrie:
<http://www.ccc.de/de/campaigns/aktivitaeten_biometrie>
**Hintergrund**:
Ein Bochumer Anwalt klagt seit Jahren vor dem Verwaltungsgericht
Gelsenkirchen gegen die Stadt Bochum. Er wollte seine Fingerabdrücke
nicht abgeben, bekam daher keinen Reisepaß. Er will die Stadt Bochum nun
verpflichtet sehen, ihm den Paß ohne Abdrücke auszustellen.
Das lange untätige Verwaltungsgericht setzte nach fünf Jahren das
Verfahren im Mai 2012 aus, um eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs
der Europäischen Union zu wichtigen Fragen einzuholen: Ist Art. 1 Abs. 2
der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 gültig? Ist diese EU-Verordnung von
2004 rechtmäßig zustandegekommen? Verstößt die Verordnung gegen die EMRK
(Art. 8) und die Charta der Grundrechte (Art. 8)?
Der ursprüngliche EU-Kommissionsvorschlag enthielt nur eine freiwillige
Aufnahme von Fingerabdrücken. Kurzfristig wurde in den Vorschlag dann
jedoch eine verpflichtende Aufnahme aufgenommen, ohne das EU-Parlament
erneut zu konsultieren. EU-Verordnungen sind verbindlich und gelten
unmittelbar in allen EU-Mitgliedsstaaten. Daher verweist das deutsche
Paßgesetz nur auf die EU-Verordnung (Par. 4 Abs. 3 PassG).
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