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1title: Bundesverfassungsgericht schafft neues Grundrecht auf digitale Intimsphäre
2date: 2008-02-27 00:00:00
3updated: 2009-04-18 19:12:41
4author: presse
5tags: update, pressemitteilung
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7Das Bundesverfassungsgericht hat heute dem nordrheinwestfälischen Verfassungsschutzgesetz, das die sog. Online-Durchsuchung von Computern und anderen informationstechnischen Systeme erlauben sollte, eine deutliche Absage erteilt. Zugleich definierten die Richter ein neues Grundrecht, das den Bürger in seinem digitalen Leben weitgehend vor dem Zugriff des Staats schützt.
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11Mit ihrer Entscheidung stellten die Karlsruher Richter klar, dass die
12Gesellschaft ein berechtigtes Interesse an der Vertraulichkeit und der
13Integrität der informationstechnischen Systeme hat, auf die sie
14zunehmend angewiesen ist. Die Gedanken seien auch dann frei, wenn sie
15auf einem Computer gespeichert sind. Dieses Recht auf eine digitale
16Intimsphäre fordert der Chaos Computer Club (CCC) seit über 25 Jahren.
17Der Schutz des digitalen Ichs betreffe nicht nur Computer, sondern auch
18Telefone und sonstige vernetzte Geräte. “Es bleibt zu hoffen, dass die
19Internetausdrucker in der Politik kein weiteres Vierteljahrhundert
20brauchen, bis sie dieses neue Grundrecht verinnerlichen”, kommentierte
21der Sprecher des CCC, Dirk Engling.
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23In der mündlichen Urteilsbegründung betonten die Verfassungsrichter,
24dass auch das systematische Abgreifen von Kommunikationsdaten und die
25Erstellung von Persönlichkeitsprofilen schwere Grundrechtseingriffe
26sind. “Wir gehen davon aus, dass diese Bewertung auch bei der
27verfassungsrechtlichen Beurteilung der Vorratsdatenspeicherung zur
28Anwendung kommt”, sagte CCC-Sprecher Dirk Engling. Gegen die im Januar
29in Kraft getretene Vorratsdatenspeicherung liegen bereits mehrere
30Verfassungsbeschwerden vor.
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32“Die Richter haben dem Gesetzgeber eine schallende Ohrfeige für seine
33grundrechtswidrige Generalermächtigung zum Ausschnüffeln von
34informationstechnischen Systemen aller Art verpasst”, so Dirk Engling
35weiter. “Nur noch in sehr engen Grenzen wird das Ausspionieren von
36Festplatten möglich sein, das Bundesverfassungsgericht hat einen
37digitalen Schutzschirm über das virtuelle Ich der Menschen gespannt.”
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39Auch die Auswertung von beschlagnahmten Daten wird sich an den Maßstäben
40des neuen Grundrechts orientieren müssen. Die Prozeduren der
41Ermittlungsbehörden bei der digitalen Beweiserhebung gehören jetzt
42umgehend auf den Prüfstand. Die in letzter Zeit üblich gewordene
43Durchfilzung von Festplatten durch Privatfirmen ist damit klar
44verfassungswidrig. Zudem legten die Richter fest, dass informationeller
45Selbstschutz durch Verschlüsselung von Daten ein Recht ist, das nur
46unter sehr engen Voraussetzungen ausgehebelt werden darf.
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48Der Chaos Computer Club war zur Karlsruher Urteilsverkündung wieder mit
49dem Symbol des Widerstands gegen die Online-Durchsuchung, den
50schwarz-rot-goldenen Bundestrojaner, angereist. Die Grünen, die zuletzt
51durch ihre klägliche Rolle beim Durchwinken der Spitzelgesetze Otto
52Schilys und ihre Zustimmung zum Hackertoolverbot auffielen, versuchten
53ihre neu entdeckte Liebe für die digitalen Bürgerrechte durch eine
54Mahnwache vor dem Gericht zu demonstrieren. Hoffentlich bleibt diese
55bürgerrechtsfreundliche Haltung bestehen, falls die Grünen erneut in
56Regierungsverantwortung stehen.
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58Die Juristen werden sich in den nächsten Wochen mit der Interpretation
59des Urteils befassen und die Folgen herausarbeiten müssen. “Der
60Bundestrojaner wurde zwar regelrecht notgeschlachtet, doch weitere
61wichtige Grundrechtsentscheidungen stehen an. Wir erwarten jedoch nicht,
62dass Schäuble und Wiefelspütz plötzlich die Verfassung ernst nehmen. Das
63neue Grundrecht wird erst durch aggressive Verteidigung und Anwendung
64lebendig, hier sind wir alle gefragt”, so Dirk Engling.