From 4c373d59845a7a3ba4a573f5072ee9e499f70482 Mon Sep 17 00:00:00 2001
From: admin <admin@cccms.de>
Date: Sat, 18 Apr 2009 19:12:37 +0000
Subject: committing page revision 1

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 updates/2005/cccebit2005.md | 96 +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++
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+++ b/updates/2005/cccebit2005.md
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+title: CCCeBIT bei der Bundesdruckerei: Biometrische Merkmale in Ausweisdokumenten sind sinnlos, gefährlich und teuer
+date: 2005-03-15 00:00:00 
+updated: 2009-04-18 19:12:37 
+author: admin
+tags: update
+
+
+Am heutigen Chaosdienstag verleiht der CCC auf der alljährlichen
+Nabelschau der IT-Branche (16h, Halle 7, Stand B36) den CCCeBIT-Award an die Bundesdruckerei.
+Der Anti-Preis für Datenkraken und Monopolbildung geht an die privatisierte
+Bundesdruckerei als Umsetzer und Nutzniesser der geplanten Einführung der
+biometrischen  Erkennungsmerkmale in Reisedokumenten und Personalausweisen, verbunden mit unsicherer RFID-Technologie.
+
+
+<!-- TEASER_END -->
+
+Die Bundesdruckerei ist eine große treibende Kraft hinter der Einführung
+von Fingerabdrücken und Funk-Chips in deutschen Reisedokumenten.
+Offenbar soll durch den anstehenden Megaauftrag die fehlgeschlagene
+Privatisierung des ehemaligen Staatsbetriebs doch noch zur Erfolgsstory
+gemacht werden. Die Gesamtkosten die Ausgabe komplett neuer Pässe sind
+noch völlig unklar, wenn auch eine [Studie im Auftrag des Büros für
+Technikfolgenabschätzung beim Deutschen
+Bundestag](http://www.tab.fzk.de/de/projekt/zusammenfassung/ab93.htm)
+Anschaffungskosten von 600 Millionen Euro sowie laufende Kosten von
+nochmals 600 Millionen Euro jährlich errechnete, mit der Folge, dass ein
+Pass am Ende 130 Euro kosten könnte. Diese Kosten werden entweder direkt
+über die Gebühren bei der Ausstellung oder indirekt über den
+Bundeshaushalt vom Bürger getragen werden müssen.
+
+![](/biometrie/Schaubild_Biometrie_Politik_und_Technik-small.png)\
+[![](/biometrie/Schaubild_Biometrie_Politik_und_Technik.png)](/de/biometrie/Schaubild_Biometrie_Politik_und_Technik.png)
+
+Datenschutztechnisch ist das Vorhaben jedoch sehr zweifelhaft:
+
+1\. Bisher hat die Regierung nicht darlegen können, wozu die BRD
+Biometrie und RFID überhaupt braucht oder wie dadurch ein echter
+Sicherheitsgewinn entstehen kann. Die Totalerfassung der Bevölkerung
+bringt keinen Sicherheitsgewinn, schafft aber Risiken und
+Begehrlichkeiten. Laut BMI und Bundesdruckerei sind schon die bisherigen
+Personaldokumente praktisch nicht zu fälschen. Warum brauchen wir
+dannnoch ein neues, teures und riskantes System?
+
+2\. Viele technische Verfahren zur Erfassung und Erkennung von
+biometrischen Merkmalen können im Bezug auf den angeblichen Zugewinn an
+Sicherheit als zweifelhaft bezeichnet werden. So lassen sich mit sehr
+geringem Material- und Zeitaufwand beispielsweise viele
+[Fingerabdruckscanner überlisten, wie der CCC vorgeführt
+hat](https://www.ccc.de/biometrie/fingerabdruck_kopieren.xml) und wie
+auch das [Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI)
+festgestellt](http://www.bsi.de/literat/studien/) hat. Das blinde
+Vertrauen in die technischen Möglichkeiten gerade bei Biometrie wurde
+mit der Zeit immer wieder von der Realität eingeholt.
+
+3\. Die Wahl von kontaktlosen RFID-Chips zur Speicherung der
+biometrischen Merkmale in den Ausweisdokumenten bringt das zusätzliche
+Risiko mit sich, dass ungeschützte Daten vom Ausweisinhaber unbemerkt
+ausgelesen werden. Das vom Bundesverfassungsgericht aus dem Grundgesetz
+abgeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung wurde bei der
+Auswahl der Technologie offenbar vollständig ignoriert. Selbst wenn das
+unbemerkte Auslesen der biometrischen Merkmale verhindert werden kann,
+bleibt das Risiko des drahtlosen Verfolgens mittels versteckter
+Lesegeräte bestehen.
+
+4\. Es ist vollkommen unklar, ob der kryptografische Ausleseschutz von
+biometrischen Daten vom Reisepass als Datenträger sicher ist. Die bei
+der internationalen Standardisierung von deutscher Seite aus
+vorgebrachten sinnvollen Vorschläge zur Verschlüsselung sind für andere
+Staaten nur optional. Es ist daher davon auszugehen, dass für
+Bundesbürger im Ausland kein Schutz existiert.
+
+5\. Grundsätzliche Fragen über das Verfahren und den Umgang mit den
+neuen Dokumenten sind ungeklärt: Wer ist schuld, wenn der Tag nicht mehr
+funktioniert? Ist der Passinhaber dann ein Terrorist? Oder wird der
+Inhaber dann wie bisher nach optischer Prüfung des Fotos durchgelassen?
+
+Da die Bundesdruckerei, in Zusammenarbeit mit dem deutschen
+Innenminister Otto Schily, in dieser Form die neuen Dokumente
+durchdrücken will, bekommen sie den diesjährigen CCCebit-Award für ihre
+Lobbyarbeit und gekonntes Ignorieren technischer Probleme in
+Sicherheits- und Datenschutzfragen verliehen.
+
+Der CCC fordert, auf den Einsatz zusätzlicher biometrischer Merkmale in
+Pässen und Ausweisen zu verzichten. Sollte aus Gründen der
+internationalen Interoperabilität auf die Einführung nicht verzichtet
+werden können, muss vor dem Einatz ein öffentlich begleiteter Feldtest
+mit der konkreten Reisepasstechnologie und einer ausreichend grossen
+Nutzerzahl durchgeführt werden. Ausserdem müssen die sensiblen
+personenbezogenen Daten auf dem RFID-Chip verschlüsselt abgelegt und
+deren Verwendung einer strengen Zweckbindung unterworfen werden.
+
+[Die Forderungen des CCCs zur Einführung von Biometrie in
+Personaldokumenten](/de/biometrie/forderungen.xml)
+
+[Weitere Informationen dazu beim
+C4](http://koeln.ccc.de/prozesse/running/cccebit2005/index.html)
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cgit v1.2.3