From a84a12985e0f601d669137330acbeb398486c7bf Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: 46halbe <46halbe@berlin.ccc.de> Date: Tue, 20 Apr 2010 07:51:06 +0000 Subject: committing page revision 1 --- updates/2010/offener-brief-leuti-schnarri.md | 195 +++++++++++++++++++++++++++ 1 file changed, 195 insertions(+) create mode 100644 updates/2010/offener-brief-leuti-schnarri.md (limited to 'updates/2010') diff --git a/updates/2010/offener-brief-leuti-schnarri.md b/updates/2010/offener-brief-leuti-schnarri.md new file mode 100644 index 00000000..6e6c806a --- /dev/null +++ b/updates/2010/offener-brief-leuti-schnarri.md @@ -0,0 +1,195 @@ +title: Chaos Computer Club unterzeichnet Offenen Brief an die Bundesjustizministerin +date: 2010-04-20 07:12:00 +updated: 2010-04-20 07:51:06 +author: 46halbe +tags: update, pressemitteilung, vds, vorratsdatenspeicherung + +Der Chaos Computer Club (CCC) unterstützt nachdrücklich das Anliegen des Offenen Briefes und setzt sich für das Recht für jedermann ein, weiterhin unbeobachtet und frei kommunizieren zu können. Nachdem die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland als verfassungswidrig verworfen wurde, ist es Aufgabe der Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, sich dafür einzusetzen, daß endlich auch die EU-Richtlinie abgeschafft wird. + + + + +Der CCC-Sprecher Andreas Bogk kommentiert: "Es ist an der Zeit, den +Irrweg einer verdachtslosen Speicherung der Kommunikations- und +Lokationsdaten aller Menschen zu beenden und die Überwachungsregelungen +nun auf europäischer Ebene zu kippen. Eine europaweite Vereinheitlichung +des Quick-Freeze-Verfahrens ist und bleibt für die Strafverfolgung +zielführender als die pauschale Verdächtigung aller Bürger. Wir fordern +von der FDP das, was sie vor der Wahl versprochen hat – die Bürgerrechte +zu stärken. Und dazu gehört ein klares Nein zur Vorratsdatenhaltung." + +\ +\ +Der **Brief an die Bundesjustizministerin** vom 19. April 2010 im +Wortlaut:\ +\ +Bundesministerin der Justiz\ +Frau Sabine Leutheusser-Schnarrenberger\ +Mohrenstraße 37\ +10117 Berlin\ +\ +Sehr geehrte Frau Bundesministerin,\ +\ +kaum hat das Bundesverfassungsgericht am 2. März 2010 die deutschen +Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig und +nichtig erklärt, wird von nicht Wenigen die Wiedereinführung einer +Vorratsdatenspeicherung gefordert.\ +\ +Eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2006 sieht vor, daß +Telekommunikationsunternehmen verpflichtet werden sollen, Daten über die +Kommunikation ihrer Kunden auf Vorrat zu speichern. Zur verbesserten +Strafverfolgung soll nachvollziehbar sein, wer mit wem in den letzten +sechs Monaten per Telefon, Handy oder E-Mail in Verbindung gestanden +hat. Bei Handy-Telefonaten und SMS soll auch der jeweilige Standort des +Benutzers festgehalten werden. In Verbindung mit anderen Informationen +soll zudem die Nutzung des Internets nachvollziehbar sein.\ +\ +Eine derart weitreichende Registrierung des Verhaltens der Menschen in +Deutschland halten wir für inakzeptabel. Im Zuge einer +Vorratsdatenspeicherung werden ohne jeden Verdacht einer Straftat +sensible Informationen über die sozialen Beziehungen (einschließlich +Geschäftsbeziehungen), die Bewegungen und die individuelle +Lebenssituation (z. B. Kontakte mit Ärzten, Rechtsanwälten, +Betriebsräten, Psychologen, Beratungsstellen) von über achtzig Millionen +Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern gesammelt. Damit höhlt eine +Vorratsdatenspeicherung Anwalts-, Arzt-, Seelsorge-, Beratungs- und +andere Berufsgeheimnisse aus und begünstigt Datenpannen und -mißbrauch. +Sie untergräbt den Schutz journalistischer Quellen und beschädigt damit +die Pressefreiheit im Kern. Sie beeinträchtigt insgesamt die +Funktionsbedingungen unseres freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens. +Die enormen Kosten einer Vorratsdatenspeicherung unter Beachtung der +verfassungsrechtlichen Vorgaben steigen gegenüber den bisherigen +Schätzungen deutlich und sind ohne Erstattungsregelung von den über +sechstausend betroffenen Telekommunikationsunternehmen in Deutschland zu +tragen. Dies zieht Preiserhöhungen nach sich, führt zur Einstellung von +Angeboten und belastet mittelbar auch die Verbraucher.\ +\ +Untersuchungen belegen, daß bereits die gegenwärtig verfügbaren +Kommunikationsdaten ganz regelmäßig zur effektiven Aufklärung von +Straftaten ausreichen. Es ist nicht nachgewiesen, daß eine +Vorratsdatenspeicherung besser vor Kriminalität schützte. Dagegen kostet +sie Millionen von Euro, gefährdet die Privatsphäre Unschuldiger, +beeinträchtigt vertrauliche Kommunikation und ebnet den Weg in eine +immer weiter reichende Massenansammlung von Informationen über die +gesamte Bevölkerung.\ +\ +Rechtsexperten erwarten, daß der Europäische Gerichtshof für +Menschenrechte im Anschluß an den Verfassungsgerichtshof Rumäniens eine +Pflicht zur verdachtslosen Vorratsspeicherung von Kommunikationsdaten +für unvereinbar mit der Europäischen\ +Menschenrechtskonvention erklären wird. EU-Justizkommissarin Viviane +Reding und EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström haben bereits eine +Überprüfung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung auf ihre +Übereinstimmung mit der EU-Grundrechtecharta angekündigt.\ +\ +Als Vertreter der Bürgerinnen und Bürger, der Medien, der Berufstätigen +und der Wirtschaft lehnen wir die Forderungen nach\ +einer Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung geschlossen ab. Wir +appellieren an Sie, sich ungeachtet eines möglichen\ +Vertragsverletzungsverfahrens grundsätzlich von der Forderung nach einer +neuerlichen umfassenden und verdachtsunabhängigen Speicherung von +Telekommunikationsdaten zu distanzieren. Stattdessen rufen wir Sie auf, +sich auf europäischer Ebene klar für eine Abschaffung der +EU-Mindestvorgaben zur Vorratsdatenspeicherung einzusetzen, damit jeder +europäische Staat wieder selbst über die Gewährleistung des +Kommunikationsgeheimnisses seiner Bürgerinnen und Bürger entscheiden +kann. Seien Sie sich unserer Unterstützung dabei versichert.\ +\ +Mit freundlichen Grüßen,\ +\ +1. Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung\ +2. Aktion Freiheit statt Angst e. V.\ +3. Attac Deutschland\ +4. Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler e. V.\ +5. Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e. V. (BDP)\ +6. Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizistinnen und Polizisten +(Hamburger Signal) e. V.\ +7. Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe – Frauen gegen +Gewalt e. V.\ +8. Chaos Computer Club e. V.\ +9. Deutsche AIDS-Hilfe e. V.\ +10. Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union dju in ver.di\ +11. Deutscher Journalisten-Verband e. V.\ +12. Deutscher Presserat\ +13. DFJV Deutscher Fachjournalisten-Verband AG\ +14. DPV Deutscher Presse Verband – Verband für Journalisten e. V.\ +15. DVD – Deutsche Vereinigung für Datenschutz e. V.\ +16. eco – Verband der deutschen Internetwirtschaft e. V.\ +17. Ev. Konferenz für Telefonseelsorge und Offene Tür e. V.\ +18. FIfF – Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche +Verantwortung e. V.\ +19. FoeBuD e. V.\ +20. Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft (FITUG) e. V.\ +21. Forum Menschenrechte e. V.\ +22. Free Software Foundation Europe e. V.\ +23. FREELENS e. V.\ +24. Freie Ärzteschaft e. V.\ +25. Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit e. V. (GDD)\ +26. Humanistische Union e. V.\ +27. IALANA\ +28. IG Bauen-Agrar-Umwelt\ +29. Internationale Liga für Menschenrechte e. V.\ +30. Komitee für Grundrechte und Demokratie e. V.\ +31. Lesben- und Schwulenverband LSVD\ +32. Magistrats européens pour la Démocratie et les Libertés – MEDEL\ +33. naiin – no abuse in internet e. V.\ +34. NAV-Virchow-Bund – Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands +e. V.\ +35. Netzwerk Neue Medien e. V.\ +36. netzwerk recherche e. V.\ +37. Neue Richtervereinigung e. V.\ +38. Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen\ +39. PRO ASYL e. V.\ +40. Reporter ohne Grenzen e. V.\ +41. Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.\ +42. Verband der Freien Lektorinnen und Lektoren VFLL e. V.\ +43. Verband Freier Psychotherapeuten, Heilpraktiker für Psychotherapie +und Psychologischer Berater e. V.\ +44. Verbraucherzentrale Bundesverband e. V.\ +45. Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte\ +46. Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e. V.\ +47. Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di)\ +\ +Fußnoten und Belege:\ +1. [Evaluierung der Richtlinie zur +Vorratsdatenspeicherung](http://www.vorratsdatenspeicherung.de/images/RoomDocumentEvaluationDirective200624EC.pdf) +(pdf)\ +\ +2. [Stellungnahme +Deutschlands](http://www.vorratsdatenspeicherung.de/images/DR-consult/de_ms_de.pdf) +(pdf), [Stellungnahme des Arbeitskreises +Vorratsdatenspeicherung](http://www.vorratsdatenspeicherung.de/images/antworten_kommission_vds_2009-11-13.pdf) +(pdf)\ +\ +3. [Die +Cybercrime-Konvention](http://conventions.coe.int/treaty/ger/treaties/html/185.htm)\ +\ +4. [Aufklärungsrate +2007](http://www.polizei-nrw.de/lka/stepone/data/downloads/08/01/00/kriminalitaetsentwicklung_pks_nrw_2007.pdf) +(pdf)\ +\ +5. [Aufklärungsrate +2008](http://www.polizei-nrw.de/lka/stepone/data/downloads/45/01/00/pks-nrw-jahresbericht-2008.pdf) +(pdf)\ +\ +6. [Aufklärungsrate +2009](http://www.polizei-nrw.de/lka/stepone/data/downloads/6a/01/00/pks-jahresbericht2009.pdf) +(pdf)\ +\ +7. [Meinungsumfrage zur +Vorratsdatenspeicherung](https://www.vorratsdatenspeicherung.de/images/infas-umfrage.pdf) +(pdf)\ +\ +\ +Über den AK Vorrat:\ +Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) ist ein +bundesweiter Zusammenschluss von Bürgerrechtlern, Datenschützern und +Internet-Nutzern, die sich für den Schutz unserer Freiheitsrechte in +Zeiten ausufernder Überwachung einsetzen. Wir wehren uns gegen die +Vorratsdatenspeicherung, weil sie vertrauliche Tätigkeiten und Kontakte +etwa zu Journalisten, Beratungsstellen und\ +Geschäftspartnern dem Risiko eines Bekanntwerdens aussetzt und dadurch +unzumutbar behindert. Der Arbeitskreis hat die mit über\ +34.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern größte Verfassungsbeschwerde der +Bundesrepublik initiiert.\ +\ -- cgit v1.2.3