From 607a4f0fcdfd22aed67f523f4e09ef7cdc02a611 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: presse Date: Sat, 18 Apr 2009 19:12:41 +0000 Subject: committing page revision 1 --- updates/2008/kommunalwahlen-bayern-2008.md | 77 ++++++++++++++++++++++++++++++ 1 file changed, 77 insertions(+) create mode 100644 updates/2008/kommunalwahlen-bayern-2008.md diff --git a/updates/2008/kommunalwahlen-bayern-2008.md b/updates/2008/kommunalwahlen-bayern-2008.md new file mode 100644 index 00000000..4abaf43a --- /dev/null +++ b/updates/2008/kommunalwahlen-bayern-2008.md @@ -0,0 +1,77 @@ +title: Bayerische Kommunalwahl 2008: Computerisierte Auszählung mit Barcodes unsicher und intransparent +date: 2008-02-25 00:00:00 +updated: 2009-04-18 19:12:41 +author: presse +tags: update, pressemitteilung + +Der Chaos Computer Club (CCC) weist auf erhebliche Risiken beim Einsatz softwaregestützter Barcode-Auszählungssysteme bei den Bayerischen Kommunalwahlen hin. Bei den Wahlen am 2. März 2008 sollen mehr als 8.000 Barcode-Lesestifte und PCs für die Auszählung der Stimmzettel in den Wahllokalen verwendet werden. + + + +Bei der barcodegestützten Auszählung, die vor sechs Jahren bereits einen +ersten Testlauf in Bayern absolvierte, handelt es sich um ein System +bestehend aus Computer, Barcodescanner, USB-Stick und einer Software von +der Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern (AKDB). Die +einzelnen Komponenten sind trotz Lizenzierung des Verfahrens durch das +bayerische Innenministerium einfach manipulierbar; zusammen ergeben sie +ein erhebliches Sicherheitsrisiko für die Kommunalwahl am 2. März. + +Für den Wahlvorstand, die Wahlhelfer und den Wähler ist es bei +Verwendung des Systems nicht möglich, die akkumulierten Stimmen bei der +Auszählung jederzeit einzusehen; dies ist nur an den Auszählstationen +mittels komplizierter Prozeduren machbar. Der Sprecher des CCC, Frank +Rieger, sagte dazu: “Kein Wahlhelfer hat realistisch während der +Auszählung einen fortlaufenden Überblick darüber, welcher Kandidat oder +welche Partei wie viele Stimmen erhalten hat. Eine Manipulation im +Hintergrund durch ein unsichtbares Schadprogramm ist unauffällig und +ohne weiteres realisierbar.” Zudem sind sowohl die Software als auch das +Endergebnis auf einem tragbaren USB-Stick gespeichert - auch hier ist +eine Manipulation einfach und mit geringem Entdeckungsrisiko +durchführbar. + +Nach Aussage eines Schulungsleiters für das System könnten die +Wahlhelfer bei Benutzung des neuen Systems “die Hirne ausschalten, die +Software erledige alle Zählaufgaben”. Eine derartige Grundeinstellung +ist sicher nicht förderlich für eine demokratische, transparente Wahl. + +Bei CCC-Recherchen in den Gemeinden stellte sich heraus, dass es keine +allgemeingültigen Richtlinien zur Behandlung der neuen computerisierten +Wahlauszählung gibt. Die Gemeinden bestimmen die Modalitäten der +Auszählung mit dem manipulationsanfälligen Barcodesystem also nach +Gutdünken. So lagert eine Gemeinde die Windows-Computer über Nacht +unbewacht in den Wahllokalen, während eine andere Gemeinde gar die +Wahlhelfer bittet, einen eigenen Rechner von zu Hause mitzubringen, auf +dem dann die Auszählungssoftware laufen soll. Die Barcodestifte selbst +sind denkbar einfach über spezielle Strichcodes umkonfigurierbar - dies +ist auch bei der Auszählung nicht abschaltbar. So kann ein einziger +manipulierter Stimmzettel in der Urne den Barcodestift, der für die +Auszählung benutzt wird, umprogrammieren. + +“Es ist natürlich nachvollziehbar, dass die Gemeinden versuchen, +Hilfsmittel einzusetzen, um die Auszählung der Stimmzettel zu +beschleunigen. Dies darf jedoch kein Freibrief für den unkontrollierten +Einsatz von unausgereiften Risikotechnologien sein”, erläuterte +CCC-Sprecher Frank Rieger die kritische Haltung des CCC. Bedingt durch +die offenkundigen Mängel des Systems erscheint es ungeeignet, eine +transparente Wahlauszählung, die von jedermann eingesehen werden kann, +zu gewährleisten. + +Die Gemeinden in Bayern sind ob dieser Neuerungen sichtlich nervös, denn +die bereits angeschaffte Soft- und Hardware bringt Sicherheitsrisiken, +wo vorher keine vorhanden waren. Einem technisch interessierten +CCC-Mitglied wurde mitgeteilt, dass er als Wahlhelfer nicht mehr +erwünscht sei, nachdem er Informationen aus seiner Wahlhelfer-Schulung +im Netz öffentlich gemacht hatte. Anscheinend möchten hier +Verantwortliche in Bayern Sicherheit durch Verschweigen herstellen. Nur +ist die so erlangte Sicherheit immer eine trügerische – demokratisch und +transparent ist dieses Verhalten jedenfalls nicht. Der CCC ruft die +Gemeinden dazu auf, das barcodegestützte Auszählverfahren wegen der +unkalkulierbaren Sicherheitsrisiken nicht zu benutzen und stattdessen +per Hand auszuzählen. + +Im Gegensatz zu den NEDAP-Wahlcomputern ist beim Barcode-Verfahren +immerhin noch ein per Hand auszählbarer Stimmzettel vorhanden, der +endgültiger Ausdruck des Wählerwillens ist. Sollten die Gemeinden +dennoch auf das risikobehaftete System setzen, ruft der CCC alle Wähler +dazu auf, an möglichst vielen Orten eine Handnachzählung ausdrücklich zu +verlangen. -- cgit v1.2.3